Annette Kolbs Werk umfasst 25 Buchausgaben, neun größere Übersetzungsarbeiten und 185 publizierte Aufsätze und Essays; die bayerisch-französische Schriftstellerin bemühte sich ihr Leben lang für Frieden und Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland und wurde u.a. mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik und dem Orden Pour le merite für Wissenschaften und Künste ausgezeichnet.

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Die zwei älteren Schwestern Louise und Ger­mai­ne mit Annette (Fotographie um 1885)

Anna Mathilde (Annette) Kolb wird am 3. Februar 1870 in München als Tochter des bayerischen Garten­architekten Max Kolbe und der französischen Pianistin Sophie Kolb Danvin geboren, wenige Monate vor Beginn des Deutsch-Französischen Kriegs.

Die Schuljahre (1876-1882) bei den Salesianerinnen von Thurnfeld bei Hall in Tirol empfindet Annette Kolb als qualvoll; seit 1882 ist sie wieder in München und blüht in der Kulturstadt mit ihren vielfältigen Anregungen auf. Mit 25 Jahren stirbt 1890 die musikalisch hochbegabte und schöne Schwester Louise, Vorbild für die Gestalt der Hespera in Die Schaukel.

Seit 1900 veröffentlicht sie Feuilletonartikel zu musi­kalischen Themen sowie zur französischen und deut­schen Mentalität.

Für ihren ersten Roman Das Exemplar, verlegt bei S. Fischer, erhält sie 1913 den renommierten Fontane-Preis und ist 1916 bekommt sie vom Bayerischen Kriegs­ministerium Publikations- und Redeverbot wegen emanzipatorischer und pazifistischer Stellung­nahmen.

Von 1919 bis 1923 führt sie ein unstetes Leben, ohne festen Wohnsitz, ständig auf Reisen in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Italien.

Annette Kolb am Klavier
Annette Kolb am Klavier (Zeichnung der Schwester Germaine, 1885

1919 nimmt Annette Kolb als aufmerksame Beobachterin am Internationalen Arbeiter- und Sozialistenkongress in Bern teil, der sich den großen Problemen des Welt­friedens nach dem 1. Weltkrieg widmete. Sie lernt dort führende Sozialdemokraten wie Karl Kautsky, Hugo Haase und Kurt Eisner, den 1. Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, kennen, der kurz darauf in München von Graf Arco ermordet wurde.

René Schickele
Foto von René Schickele:
"Annette Kolb in herzlicher Freundschaft.
Bern, im 3. Jahr des Teufels am 5. Mai"

1923 lässt sich Annette Kolb in Badenweiler nieder als Nachbarin von René Schickele und seiner Frau, mit denen sie eine lebenslange Freundschaft verbindet. Sie erhalten Besuch von vielen Schriftstellern, Musikern, Malern, Intellektuellen und Politikern.

1926 Teilnahme als deutsche Vertreterin an der 3. Generalversammlung des Verbandes für Kulturelle Zusammenarbeit in Wien, der sich die geistige Annäherung und Kooperation der europäischen Staaten zum Ziel gesetzt hat.

1928 erreicht der Roman Daphne Herbst die 8. Auflage. Die Schriftstellerin besucht den französischen Minister­präsidenten als Vorbereitung für ihr Porträt des Politikers und Friedensnobelpreisträgers Versuch über Briand (1929). Teilnahme an der 9. Tagung des Völkerbundes in Genf.

1931 erhält sie den angesehenen Gerhart-Hauptmann-Preis.

Bei der Machtübernahme der Nazis 1933 flieht Annette Kolb sofort aus Deutschland. Aufenthalte in Luxemburg, in der Schweiz, in England, Irland und Frankreich. Neuer Wohnsitz in Paris, 23 rue Casimir Périer. Über die Antrittsrede Adolf Hitlers am 31. Januar 1933 schreibt sie:

"Dann Worte, von mir zum ersten- und letzten Mal vernommen – in einem niederträchtigen Deutsch, eine Stimme, die in Gebell ausartete. Töne und Untertöne des Hasses, der Rachgier, der hündischen Wut... Vom Bewusstsein der Macht war dieser unbefugte Redner getragen, und wenn er sie behielt, dann war Krieg, ein neuer, unmenschlicher Krieg unabwendbar. Aber nicht mit mir."

1934 erscheint ihr Roman Die Schaukel. (Eine Jugend in München) bei S. Fischer, für den sie 1951 den Literaturpreis der Stadt München erhielt und der 1983 von Percy Adlon verfilmt wurde. In diesem autobiografisch geprägten dritten Roman wirft Annette Kolb einen humorvoll-distanzierten bis leicht verklärten Blick auf ihre eigene Jugend und damit auf eine längst versunkene Epoche: die Münchner Gesellschaft in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.

1936 erhält sie die beantragte französische Staatsbürgerschaft.

Annette Kolb

1940 stirbt René Schickele; Annette Kolb verlässt nach dem Einmarsch der deutschen Truppen Paris; Aufenthalt in Vichy, von dort zurück in die Schweiz.

1941 flieht sie im Alter von 71 Jahren über Madrid und Lissabon nach New York. Franz Schubert, Sein Leben, unter extremen Exilbedingungen entstanden, erscheint bei den wichtigen Exilverlagen Bermann-Fischer 1941 in Stockholm und 1942 bei Allert de Lange in Amsterdam.

1945 kehrt sie nach Europa zurück, zunächst nach Irland, dann in die Schweiz und nach Frankreich. Hauptsächlicher Wohnsitz bis 1961 Hotel Cayré in Paris.

1950 wird Annette Kolb in die Bayerische Akademie der Schönen Künste aufgenommen, 1951 erhält sie den Kunstpreis der Stadt München, 1955 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt, 1959 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik und 1966 den Orden Pour le merite für Wissenschaften und Künste.

So werden ihre schriftstellerischen Künste und ihre lebenslangen Bemühungen für Frieden und Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland gewürdigt.

Am 3. Dezember stirbt Annette Kolb im Alter von 97 Jahren in München. An der Beerdigung in Bogenhausen nimmt auch eine Abordnung des Annette-Kolb-Gymnasiums teil.